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Strategiediskussion
 

Eine Strategie – zweiter Versuch

von Klaus Buschendorf

Zum Nachdenken über heutiges Vorgehen hatte ich an eine Strategie erinnert, aufgestellt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, wie man die Gesellschaft verändern könne. Sie stammt von Marx und Engels.

Was wurde daraus? 1914 versagte die Reichstagsfraktion der SPD, aus dem Beginn des I. Weltkrieges einen Griff nach der Staatsmacht zu machen. Dieser Verrat an den Beschlüssen der Sozialdemokratie Europas sollte sich in Deutschland 1919 am Ende des I. Weltkrieges wiederholen. Die Führung der SPD verstand sich ab da als „Arzt am Krankenbett des Kapitalismus“. Das ist sie bis heute geblieben.

Eine sehr ungewöhnliche Situation bot sich gegen Ende des I. Weltkrieges. Internationales Finanzkapital bot in Chikago Trotzki, in der Schweiz Lenin Geld an, um mit einer Revolution die Romanows in Russland zu stürzen. Beide erfüllten die Erwartungen, enttäuschten aber ihre Geldgeber, als sie nach dem Sieg der Revolution erklärten: Für die Schulden des Zaren kommt die Arbeiterschaft Russlands nicht auf. Die Hochfinanz der Welt in der Rolle des betrogenen Betrügers! Eine internationale Aggression gegen Russland folgte, Russland blutete – und hielt stand! Der Griff nach der Staatsmacht war gelungen.

Doch Russland entsprach nicht den Anforderungen von Marx und Engels, zur Spitze der hochentwickelten kapitalistischen Länder zu gehören! Die revolutionäre Welle in Europa lief sich tot, die „Weltrevolution“ fand nicht statt. Das Dilemma versuchte Lenin mit der „Neuen Ökonomischen Politik“ von 1920 zu lösen. Er bat die Arbeiter Russlands um Verständnis, dass die Rückständigkeit Russlands nur mit außergewöhnlichen Maßnahmen überwunden werden könne. „NÖP“-Kapitalisten im Biberpelz sollten Russland an die west- und mitteleuropäischen Verhältnisse heranführen, den Kapitalismus „ausreifen“ lassen. Es ging schief. Stalin beerbte Lenin, jagte Trotzki aus dem Land (und später zu Tode), brachte das gesamte Leninsche Zentralkomitee um (und nicht nur diese Menschen) und installierte unter dem Mantel sozialistischer Planung einen staatsmonopolistischen Kapitalismus. Und tarnte das mit sozialistischen und kommunistischen Losungen.

Man hatte die Staatsmacht gewonnen – und kam nicht weiter! Was hatten die Klassiker in ihrer Strategie gefordert? Nach der Erringung der Staatsmacht hat diese zu gewährleisten die Verteidigung gegen die Reste der alten Ausbeuter. Danach sind die Produktionsmittel zu „vergesellschaften“: in die Hände der arbeitenden Menschen zu geben! So wie diese Aufgabe erfüllt wird, ist immer weniger Staat notwendig – aus der Diktatur der Arbeiterklasse über das Großbürgertum muss die Demokratie im Volk wachsen! Hat all das nach dem Attentat auf Lenin 1920 noch stattgefunden?

Ob die internationale Hochfinanz beim Attentat auf Lenin mit im Spiel war und Stalin unterstützt hat, ist nicht geklärt, logisch wäre es. In diesem Zusammenhang ist für uns wichtig festzustellen: Der Gewinn der Staatsmacht allein genügt nicht. „Verstaatlichung“ allein schafft nur einen (Riesen-) Staatskonzern! Und der kann nur wie ein solcher funktionieren: mit Terror und Unterdrückung seiner Beschäftigten (Bürger), mit Verblendung durch seine Massenmedien (hier mit kommunistischen Parolen)! Nichts im Sinne der Strategie von Marx und Engels war erreicht, nur der Kapitalismus von einer Form in die andere überführt worden.

Dieser zweite Versuch, diese zweite „Nagelprobe“, fand 1945 noch einmal statt. Sie konnte nicht anders ausgehen wie die erste, die „sozialistische“ (in Wahrheit staatsmonopolistische) Sowjetunion war schier übermächtig gegenüber ihren Vasallen. Regelmäßig wurde in der DDR ein „deutscher Weg zum Sozialismus“ versucht – ihre Protagonisten zunächst als „Abweichler“, später als „Agenten des Klassenfeindes entlarvt“. Verrat der ursprünglichen Ziele – jetzt von Menschen, die der SPD ihren Verrat stets vorgeworfen haben. Dabei wollten die „Abweichler“ doch die Ziele der Klassiker verwirklichen!

Gab es einen dritten Versuch? China? Sagte nicht die „Kommunistische“ Partei zu ihren Bürgern: „Werdet reich! Einige werden es früher sein.“ Erinnert das nicht sehr an Lenins „Neue Ökonomische Politik“ von 1920? Erinnern wir uns weiter: Lenin wollte damit den Rückstand Russlands zu den führenden Industrienationen aufholen, den Kapitalismus „ausreifen“ lassen. Reift in China der Kapitalismus aus? Die Parallelen sind wohl nicht zu leugnen – wenn man den Blick auf solche Zeiträume und Vergleiche richtet.

Lenin hatte 1920 die Arbeiterklasse Russlands um Verständnis gebeten. Die Sowjetmacht werde erst noch Kapitalisten brauchen. Vergleicht man das, so kann man sagen: China könnte es sein – der dritte Versuch. Man kann gespannt sein, wie er ausgeht.

Doch all diese Versuche fanden nicht unter der Voraussetzung statt, welche Marx und Engels für eine erfolgreiche Veränderung der Gesellschaft als nötig ansahen: In den fortgeschrittensten Ländern müsse die Umwandlung beginnen. Damals sahen sie die in Deutschland, Frankreich und England. Heute wäre das die EU – und die USA. Abgesehen von den verpassten Gelegenheiten 1914 und 1918/19 fand hier ein solcher Versuch noch nicht statt. Was müsste man beachten, käme es heute zu einer „revolutionären“ Situation?

Aber das ist ein neuer Artikel...

 

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